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Wagner-Rallye 2004 Pressespiegel

Das Opernnetz vom Mai 2004

»Wagner auf Pole-Position«

Wie unwahrscheinlich es auch klingen mag: Der neueste Akt in Christoph Schlingensiefs Welttheater basiert tatsächlich auf einer literarischen Vorlage. Alexander Kluge lieferte mit seiner Erzählung "Götterdämmerung in Wien" die wundervoll poetische Inspiration für Schlingensiefs Wagner-Rallye. Bei Kluge ist es das Orchester der Wiener Oper, welches in den letzten Kriegstagen tief in den Luftschutzkellern des umstellten Wiens die Götterdämmerung aufführt. Dabei muss es sich auf einzelne Keller verteilen, so dass die einzelnen Instrumentensektionen räumlich getrennt voneinander spielen.

Bei Schlingensief wurden daraus 10 Rennteams à zwei Personen, welche innerhalb von drei Tagen die "Wagner-Rallye" austrugen. Quasi als Einstimmung auf seine diesjährige Parsifal Inszenierung in Bayreuth hatten sie die Aufgabe, Wagner buchstäblich in das Ruhrgebiet hinauszutragen: Dazu erklangen über die auf den Fahrzeugen montierten Lautsprecher ausgesuchte Wagnerstücke. Mit Kluges "Götterdämmerung in Wien" hatte das insofern zu tun, als jedem Fahrzeug isoliert die Tonspur einer Instrumentensektion zugeordnet war. Nur, wenn alle Fahrzeuge zusammentrafen, war das komplette Orchester zu hören.

Außer der möglichst schnellen Bewältigung der Rallyestrecke hatten die Teams noch besondere Aufgaben zu lösen. Diese umfassten dabei außer alten Schlingensief-Klassikern (Anzahl ums Leben gekommener Zwangsarbeiter, aktuelle Arbeitslosenquoten) zumeist ein unterhaltsames Brainstorming zum Thema Richard Wagner: Wagners Lieblingsfrühstück, Wagner-Straßen, Preise für Wagner Pizza und Operngläser galt es herauszufinden. Als Lohn winkte dem Gewinnerteam immerhin eine (!) Eintrittskarte für Bayreuth.

Beeindruckend war dabei der Elan der eigens "gecasteten" Fahrerteams. Mit ihrer spontanen, offenen Herangehensweise an die schlingensiefsche Ideenwelt verliehen sie der Performance erst das nötige Leben. Christoph Schlingensief bewies hier wieder sein - fast schon angstmachendes - Talent, Laien für seine Projekte wirklich zu begeistern. Dieses Auflösen der Distanz zwischen Hochkultur und der breiten, eher hochkulturskeptischen Masse war letztlich auch Endziel der Wagner-Rallye. Im gewissen Sinne ist dies auch geglückt: Das ständige Herstellen von Assoziationsketten zum Thema Wagner, die in die Richtung Rennwagen, Pizza, Haustiere etc. gehen, durchbricht tatsächlich den landläufigen (und von den Massenmedien gern gepflegten) Dreisatz Wagner=Bayreuth=sechs Stunden Langeweile und macht so neugierig darauf, was es denn nun mit dem tatsächlichen "Wagner" auf sich hat.

Finale im Festspielhaus

Ein Wermutstropfen war leider die aus bekannten Versatzstücken des schlingensiefschen Kosmos eher lieblos zusammengestellte "Abschlusshow". Die ausgezeichnete Neue Philharmonie Westfalen unter der Leitung von Johannes Wildner trat gegen einen absichtlich grausamen Schlagersänger, Zirkusartisten, eine Cheerleadertruppe und von Laiendarstellern verkörperte Showgäste (z.B. die fiktive Präsidentin des ADAC Königsberg) an. Beigeordnet war dem zwar der bekannte Moderator und Kabarettist Hans Werner Olm, der vermochte allerdings auch mit seiner gespielten Verwirrtheit der Show nicht den nötigen Esprit zu verleihen. Eher hatte man den Eindruck, dass hier der spontane Dilettantismus, eigentlich ja eines der starken, unvergleichlichen Wesensmerkmale schlingensiefscher Kunst, sich stellenweise verselbstständigt hatte. So sah es eben nicht originell aus, als z.B. die Cheerleader am Anfang völlig unausgeleuchtet auftraten, sondern schlichtweg traurig.

Wirklich große Momente gab es aber auch hier, zumeist wenn die Beteiligten sich in ihrem eigentlichen Element bewegten. So wird man schwerlich vergessen können, wie zum eindringlichen Spiel der Neuen Philharmonie Westfalen auf den Videoleinwänden Impressionen der Rallye oder schlichtweg der leere Hinterhof des Festspielhauses mit dem auf die Rückkehr der Fahrer wartenden Christoph Schlingensief eingeblendet wurde. Auch, wenn Schlingensief umherlief und die Fahrer zu einer letzten "Synchronisation" der Lautsprecher dirigierte, zeigte sich jene geballte Energie und jener notorische Spieltrieb, welcher seine Kunst so mitreißend macht. In solchen Momenten entstanden Bilder, denen man sich nur schwer entziehen konnte, wie auch dem Abschlussbild: das spielende Symphonieorchester zusammen mit den 3 Gewinnerwagen auf der Bühne, ein Anblick von beeindruckender Intensität.

Zu guter letzt sei noch angemerkt, dass sich der Rallye im Hinblick auf die zu erwartende Parsifal-Inszenierung in Bayreuth vielleicht manche Hinweise entnehmen lassen. Nach Schlingensief buchstabiert sich PARSIFAL nämlich folgendermaßen: Politur, Achsmanschetten, Radblenden, Sportschalldämpfer, Imprägnierspray, Fahrzeugfedern, Auspuffblenden, Lenkungsdämpfer. Na dann: Start frei!

(ap)


Das Opernnetz



Stand 14.06.2004 14:31
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